Bernd fuhr zur Wintersaalefahrt in den wilden Osten

Diese beliebte, zweitägige Paddeltour für kältefeste Kanuten wird schon 29 Jahre lang vom Berliner Kanuverband organisiert und ist schon lang vor Meldeschluss ausgebucht. So war es für mich ein Glücksfall, dass bei Bernhard Bühler von der Karlsruher Kanu Gesellschaft eine Paddelkameradin absagte und er mir einen Platz in seinem Wagen anbot. In der Jugendherberge Bad Sulza gab es sogar noch ein freies Bett im Doppelzimmer. Euphorisch starteten wir am Freitagnachmittags – und standen schon bald eine Stunde auf der voll gesperrten Autobahn im Stau. Den nächsten Aufenthalt gab in Richtung Kassel, noch mal eine Stunde Sperrung. Danach waren beide Spuren überlastet, so dass es lange Zeit nur stockend weiterging. Es war wie immer das übliche Verkehrschaos am Wochenende in Richtung Osten. Wir schafften es trotzdem noch rechtzeitig vor der Abendessenausgabe in der Jugendherberge und rechtzeitig zu Bernis Filmvorführung. Mit 139 Teilnehmern waren sämtliche Gebäude der Herberge ausgelastet. So viele Paddler seien noch nie dabei gewesen, gab Organisator Jan bekannt.

Organisator Jan
Organisator Jan

Viele kannten sich und es gab allgemeine Begrüßungsszenen mit großem Hallo. Auch ich freute mich über einige unerwartete Bekannte der Berliner Zugvögel, dem Kanuclub von Gera, dem heimischen Guntersblum und Darmstadt, was zeigt, dass der Kreis aktiver und winterharter Kanuten in Deutschland doch noch nicht zu groß ist.

In der Nacht sank das Außenthermometer auf Minus 5 Grad.. Der Samstagmorgen präsentierte sich verreift und vereist, als sich 140 dick vermummte Gestalten auf den Weg nach Jena zum dortigen Bootshaus machten. Das Warten vor der Jugendherberge hatte bei vielen schon für kalte Füße gesorgt und jetzt, beim Hantieren mit den Booten kühlten auch die Hände aus.

vor dem Start
vor dem Start

Da war es ganz gut, dass noch im Stadtgebiet von Jena zwei Wehre zu umtragen waren, was wieder für einigermaßen warme Extremitäten sorgte. Die Saale kurvte mit viel Wasser und schneller Strömung als interessanter und abwechslungsreicher Fluss durchs Tal. Auf der Strecke von Jena nach Camburg beeinträchtigen keinerlei Hindernisse die 28 km lange Fahrt.

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Alle Wehre können ohne große Mühe umtragen werden, Acht geben musste man auf kräftige Kehrwässer, nicht zu unterschätzende Strudel und darauf, dass man nicht unversehens ins Ufergestrüpp getrieben wurde.

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Der aufmerksame Beobachter stellt fest, dass eine enorme Infrastruktur für Paddler geschaffen wurde mit vielen Hinweisen auf Rastmöglichkeiten und urigen Wirtschaften. An einer Felswand sogar ein Hinweisschild, das vor Steinschlaggefahr warnt. In Golmsdorf war das Mittagessen vorbestellt. Die kleine Wanderung zu der am Berg liegenden Gastwirtschaft kam gerade recht, um den Körper wieder durchzuwärmen. Es gab das wohl typischste aller Thüringer Gerichte nämlich Klöße (3Stück!) mit einer dicken Rindsroulade und Rotkohl. Dazu passte natürlich ein würziges Bier. In Camburg angekommen, blieben alle Boote über Nacht am Wehr liegen. Auf meine vorsichtige Frage, ob auch die Paddel liegen bleiben können, kam grinsend die Antwort, wir seien doch im tiefen Osten und Wessis gäbe es hier auch fast keine, bisher sei also noch nie etwas verschwunden. Umso besser. Zurück in der Jugendherberge ging es dem Höhepunkt des Abends entgegen. Nämlich der traditionellen Bierverkostung. Und die geht so: Jeder Teilnehmer ist aufgefordert zwei Biere aus seiner Heimatregion mitzubringen. Diese werden von zwei Bierwarten auf das Reinheitsgebot geprüft und auf langen Tischen aufgestellt.

-Bierverkostung
-Bierverkostung

Es wird abgezählt, ob der bisherige Rekord von 245 Flaschen eingestellt ist und anschließend kann von jedem Bier probiert werden. Als mein persönlicher Favorit stellt sich sehr schnell das „Störtebecker“ aus Stralsund heraus. In der Zwischenzeit wartete ein Salatbüffet auf Interessenten und neben der Biertheke standen zwei Grillmeister im Dunst von Steak und Thüringer Roster.

die Grillmeister
die Grillmeister

Als alle satt waren, brannte auch schon ein riesiges Winterfeuer und Paddlerpalaver schallte bis weit in die Nacht hinein.

Winterfeurer
Winterfeurer

Mein Paddelkamerad Berni brachte eine Flasche französischen Picon herbei und zeigte, wie man damit in Frankreich das Bier verfeinert, nämlich einen kleinen Schuss Picon ins Glas und dann das Bier dazu. Das Ganze heißt „Amere“ Aber was passierte? Irgendwann zu später Stunde machte eine Flasche Picon die Runde und reihum tranken alle direkt aus der Flasche. Wie war das noch mit dem wilden Osten? Nach dem sonntäglichen Frühstück, das für die erste Schicht ab sieben Uhr bereitstand, ging es mit den Autos ab zum Bahnhof nach Bad Kösen.

Zug nach Camhurg
Zug nach Camhurg

Mit Gejohle, Gelächter und Geschrei stürmte die ganze Mannschaft den Zug nach Camburg. Als ob mehrere Schulklassen einen Ausflug machten. Ist doch ein lärmendes Volk, diese Berliner! 19 Kilometer flott strömendes Wasser durch eine schöne Flusslandschaft, vorbei an steilen Felswänden lagen vor uns, während hoch oben im Dunst mächtige Burgen unbeeindruckt auf das bunte Paddlervolk herabschauten.

Felswand
Felswand

Viel zu schnell kam das Ziel in Bad Kösen in Sicht und wie ein Spuk war die diesjährige Wintersaale zu Ende. Nicht lange und alle Automobile strebten wieder ihrem Zuhause zu. So bleibt nur noch ein Dankeschön zu sagen an alle, die sich eingesetzt haben für eine perfekt organisierte Paddeltour.

Verleihung der Kentermedaille
Verleihung der Kentermedaille